Newsletter

Abonnieren »


Berlin: "Punch & Judy"-Premiere in der Schaubude

Tod wegen Schlafstörung

Punch – um Sex geht es auch<br />Foto: Handgemenge

Punch – um Sex geht es auch
Foto: Handgemenge

Müssen sterben: Tod und Tödchen<br />Foto: Handgemenge

Müssen sterben: Tod und Tödchen
Foto: Handgemenge

Selbst der Teufel hat seine Mühe ...<br />Foto: Handgemenge

Selbst der Teufel hat seine Mühe ...
Foto: Handgemenge

10. Apr. 2008 (dw) – 

Punsch will eigentlich nur schlafen. Wenn der Kasper an diesem Abend in der Berliner Schaubude immer und immer wieder mit seinem weißen weichen Kopfkissen die Bühne betritt, hört man jedes Mal ganz schnell ein zufriedenes Schnarchen.

Dumm nur, dass der Kasper (Pierre Schäfer) ununterbrochen gestört wird. Von seiner Frau Judy (Friederike Krahl) zum Beispiel, die will, dass er das zahlreich erschienene Publikum unterhält. Von seinem Baby, das schreit und schreit und schreit. Vom Polizisten, der ihn verhaften will.

Kasper macht dann das, was Kasper auf deutschsprachigen Bühnen dann nicht macht: Das Baby schmeißt er aus dem Fenster, dem Polizisten hackt er den Kopf ab.

"Punch & Judy" ist das neue Stück des Theaters Handgemenge, das seine Deutschland-Premiere am vergangenen Freitag in der Schaubude feierte. Der Titel des Stücks (Regie: Hans Krüger, Beratung: Tristan Vogt) ist keine Kreation des freien Theaters. "Punch & Judy" ist in England ein feststehender Begriff für eine traditionelle Kasper-Variante, die es seit dem Mittelalter und seiner Jahrmärkte gibt. Der britische Kasper schmeißt sein schreiendes Kind seit Jahrhunderten zum Fenster hinaus, verprügelt seine Frau Judy und schlägt alle anderen immer und immer wieder tot - selbst Polizist und Tod.

 

Verboten, bestraft, vertrieben

Der Jahrmarkt-Klamauk kam gut an. Wohl auch weil er für die vielfach unterdrückten Aggressionen des entrechteten Publikums ein Ventil bot. Oft wurden das "Punch & Judy"-Spiel aber auch wegen "Unmoral" verboten, Puppenspieler bestraft und vertrieben.

Natürlich passt diese Form von Inszenierung nicht zusammen mit einer Pädagogik eines aufgeklärten 20. und 21. Jahrhunderts und deshalb konnte sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz nur Kasper aber nie Punch etablieren.

"Wer braucht dieses Stück?", soll eine Lehrerin nach der Premiere im "Zentrum Paul Klee" in der Schweizer Hauptstadt Bern laut und empört gefragt haben. Sie würde sich bei ihren Schülern alle Mühe geben zu lehren, Konflikte könnten ohne Gewalt gelöst werden, und "dann das".

Der Handgemenge-Kasper handelt intuitiv, impulsiv aus dem Moment heraus - ohne Moral, ohne auch nur einmal über die Folgen nachzudenken. Punch drischt mit seinem Schlägel solange auf den Kopf eines chinesischen Imbißbuden-Betreibers ein, bis jedes Lebenszeichen erloschen ist, oder hackt den Kopf des Polizisten mit einem Beil ab, weil der Amtsträger sonst nicht in den Sarg passt.

 

Sado-Maso-Spiele für den Henker

Trotz Gewalt aber hat dieses Stück - das hat wohl die Schweizer Lehrerin gemerkt - etwas heiteres und leichtes. Kasper nämlich ist über die tödlichen Folgen stets überrascht, er will nichts böses - nur schlafen, schlafen, schlafen. Klar, dieser Kasper ist naiv. Dieser Naivität verleiht Spieler Schäfer unter anderem durch die Stimme Glaubwürdigkeit. Punch quäckt so wie die Comic-Figur Donald Duck in Filmen - verzerrt wie durch ein Tröte. Schäfer manipuliert für diesen Effekt seine Luftröhre - eine nicht ungefährliche Angelegenheit.

Das Lachen fällt einem erst dann schwer, wenn die Gewalt über den Rand der Bühne zu schwappen scheint: So bräht Punch das Baby in der Pfanne, bevor er es aus dem Fenster wirft, oder jongliert mit einem abgehackten Polizisten-Kopf. Dass man sich unwillkürlich an Schlagzeilen wie "Tote Babys in Gefriertruhe gefunden" oder Fernsehberichte über deutsche Soldaten erinnert fühlt, die in Afghanistan mit Totenschädeln Fußball spielen, "ist durchaus erwünscht, aber nicht beabsichtigt", sagt Puppenspielerin Krahl.

Diese Bilder verfliegen allerdings schneller, als sie gekommen sind. Das liegt an dem flotten Tempo der beiden PuppenspielerInnen wie an vielen absurden Einfällen. So zögert der Henker, bei dem Kasper natürlich landet, dessen Strafe immer weiter hinaus, um ein paar Sado-Maso-Spiele mit dem Polizisten zu spielen: "Schlitten fahren", Fesseln und Plastiktüte über den Kopf. Als Punch später - konsequenterweise - in die Hölle kommt, tanzt unvermittelt ein Hase durch Luzifers Wohnzimmer. Der Ort der Verdammnis verwandelt sich in eine Disco, Licht blitzt, Rhythmen hämmern.

"Punch & Judy", 70 Minuten intelligente Unterhaltung, provokant und heiter.

 

Dirk Wildt

 

Kurzinfo

Titel: Punch & Judy
Theater: Handgemenge
SpielerInnen: Friederike Krahl, Pierre Schäfer (Theater Handgemenge)
Regie: Hans Krüger
Beratung: Tristan Vogt
Puppen: Marita Bachmaier, Christian Werdin
Bühne: Martin Thoms Assistenz: Katja Schröpfer
Dauer: 70 Minuten

 

Spieltermine

  • 19. April: Imaginale Stuttgart (Deutschland)
  • 25. und 26. April: Homunkulus Hohenems (Österreich)
  • 30. Mai bis 1. Juni Schaubude Berlin (Deutschland)

Kommentare

Veranstaltungen

CH-Schaan, TAKino

Die gestiefelte Katze

CH-Basel

11.05
Weisst du eigentlich..

LI-Schaan

15.05
Sind wir Freunde?

CH-Basel

25.05
Rumpelstilzli - nüt als

CH-Aarau

26.05
Puppentheater: Wildsau!

CH-Aarau

29.05
Guet Nacht, Chuchi

CH-Basel

01.06
Dr Dominik Dachs

CH-Baden

15.06
The Vegetable Nannies

CH-Baden

18.06
L'Homme-Orchestre

CH-Baden

18.06
Puppets 4.0

Ausstellungen

DE-Augsburg

29.02-22.09
Für die ganze Familie

DE-Dresden

01.06-01.06
Ida und der fliegende Wal

CH-Baden

21.06-21.06
Sind wir Freunde?