Frankfurt/O: Hänsel und Gretel (Theater des Lachens)
Rotes Wasser, grüner Schleim
Das Wasser kommt rot aus dem Wasserhahn. Und damit die Suppe schmeckt, müssen ein Menschenauge, eine zuckende Vogelkralle, zwei kriechende Spinnen und gift-grüner Schleim in den großen Kochtopf hinzu. "Ich habe doch wohl gut gezählt, etwas fehlt, etwas fehlt ...", krächzt die Alte (Karin Schmidt) am Herd. Die Hexe steckt ihre lange Nase tief in ein übergroßes Taschentuch, schnupft und schnupft. Dann fummelt sie den Rotz raus und wirft ihn ebenfalls in den Topf. Noch sind Hänsel und Gretel nicht am knallroten Hexenhaus tief im Wald angekommen.
Beide sind im Anmarsch. Ihren Weg immer weiter hinein in den Wald sieht man als Schattenspiel. Hänsel und Gretel sind aus Karton geschnittene Figuren. Der Hase, die Vögel und der Hirsch, die den Weg der Kinder kreuzen, fressen die Brotkrumen auf – Karin Schmidt formt die Tiere allein aus ihren Händen. Und spätestens wenn der Schatten des Elchs erscheint, mit schmatzenden Kaugeräuschen und wackelndem Geweih, lacht im Publikum auch das letzte Kind.
Geboren wurden die beiden Kinder in der Küche ihrer Eltern. In dieser Küche beginnt das Stück und hört es am Ende auch auf. Die Mutter von Hänsel und Gretel ist am Backen, als sie den Kopf des einen und dann des anderen Kindes aus Brotteig formt, Rosinen als Knopfaugen in den Teig drückt und die Teigköpfe auf ihre Handrücken klebt. Kaum zu Leben erweckt, balancieren Hänsel und Gretel auf der Teigrolle und spielen Schaukel mit dem gefährlichen Kräutermesser. Schmidt pustet Mehl über den Tisch, Schnee rieselt über Kinder und Küchengeräte.
Richtig spannend wird es dann im Hexenhaus – später in der gleichen Küche. Mit dem Hintern zuerst und riesen Radau kommt "Rosine Leckermaul auf ihrem Besengaul" aus dem Küchenschrank gepoltert. Als Karikatur im Kühlschrank sitzend – ihre Körpergröße ist auf etwa ein Viertel geschrumpft, ihre Arme sind Ärmchen, der Kopf ist so groß wie zuvor – freut sie sich auf den nahenden Besuch: "Kinder habe ich zum Auffressen lieb." Im Publikum flüstert ein Kind: "Mama, ich hab Angst." Die Furcht aber ist unbegründet – so viel sei hier verraten – das Märchen geht wie im richtigen Märchen gut aus.
Nach dem Stück wollen die Erwachsenen nicht länger ihre Neugier verbergen und hinter die Tricks kommen, wissen, wer etwa heimlich an den Küchenwänden Spinnen krabbeln lässt. Sie mögen Regisseurin Wolk kaum glauben, dass Schmidt alles mit zwei Händen bewältigt, und sind erstaunt.
Und wie sich auf Nachfrage von puppenspiel-portal.de herausstellt, gefällt Regisseurin Gundula Wolk das Grimmsche Märchen eigentlich gar nicht: "Das Märchen ist in zwei Sätzen erzählt, bei den Gebrüdern Grimm haben Kinder nichts zu lachen." Wolk kam direkt von der Oper des ehemaligen Kleist-Theaters an das Theater des Lachens. Vielleicht lag es für sie deshalb so nah, sich mit der Hänsel-und-Gretel-Oper zu beschäftigen, die Engelbert Humperdinck vor mehr als hundert Jahren schrieb. Hier hat sich Wolk Zitate wie "Rosine Leckermaul" ausgeliehen. Und mit ihrer Idee, die Geschichte aus Sicht der Hexe zu erzählen, hat sie dem bekannten Märchen einen neuen Dreh gegeben und viel Humor verliehen.
Nur eins ist Schade: Das Stück soll bis auf weiteres lediglich sechs Mal gespielt werden.
Bekanntes Märchen mit viel Humor und neuem Dreh.
Kurzinfo
Titel: Hänsel und Gretel
Regie: Gundula Wolk
Schauspiel: Karin Schmidt
Ausstattung: Christof von Büren
Musik: Thomas Wolk
Altersgruppe: ab 4 Jahre
Spieltermine: Dez: 4. bis 7., 10., 18.