Leipzig: Theater der Jungen Welt Spielzeit 2008/09
PapaMamaMonsterKind
Mit einem bundesweiten Festival samt integriertem neuen Autoren-Projekt, zwölf Premieren/Neuinszenierungen, einer Werkstatt-Inszenierung, außerdem einer großen Zahl besonderer oder einmaliger Projekte und Veranstaltungen und zusätzlich 23 Stücken im Repertoire für ein Altersspektrum von 2 Jahren bis ins Großelternalter präsentiert das kleinste (Etat 2,7 Mio. €) der drei städtischen Theater Leipzigs, das Theater der Jungen Welt, ein ambitioniertes Programm für die siebte Spielzeit unter der Intendanz von Jürgen Zielinski.
Ob es an den neuen Vätern und Müttern im Ensemble des Theaters der Jungen Welt liegt, an dem Thema „Familie“ selbst, das „naturgemäß“, wie Thomas Bernhard vielleicht gesagt hätte, im Fokus eines Kinder- und Jugendtheaters steht oder an den wiederholten Meldungen über Jugendgewalt und Kindstötungen der letzten Monate – das sperrige „PapaMamaMonsterKind“ bildet einen irritierenden Schwerpunkt im Spielplan der kommenden Saison 2008/09 des
Leipziger Jugendtheaters.
Es bleibt nicht der einzige, aber das ist bei der hohen Zahl von Neuinszenierungen, Projekten und Kooperationen und nicht zuletzt einem nationalen Theatertreffen, den 16. Werkstatt-Tagen der Kinder- und Jugendtheater, in Kombination mit dem erstmals durchgeführten Autorenprojekt BOXENSTOPP Leipzig, auch kein Wunder.
Gleich die erste Premiere im Großen Saal am 13. September führt in die archaisch-grausame Familienwelt der Grimmschen Hausmärchen. Tatjana Rese (Text) und Erich A. Radke (Musik) haben eine unterhaltsame, aber auch blutige Melange als Grusical verfasst. Unter dem Titel „So roth wie Blut“ führen sie ein so aufwändiges wie reizvolles Panoptikum der verdrängten dunklen Märchenwelt auf. Schüler der Musikschule Leipzig Johann Sebastian Bach werden als 9-köpfige Rockband mit Streichersatz die Grusical-Vorstellungen live begleiten.
Zwei Tage vorher, am 11. September, beginnt mit „Der Gärtner“ von Mike Kenny (Regie: Robert Steijn) der Premierenreigen der 62. Spielzeit am Theater der Jungen Welt. In dem Kinderstück, in dessen Zentrum ein an beginnendem Alzheimer erkrankter Großvater steht, wird auf zärtlich-humorvolle Weise das Leben und Sterben des Menschen in Bezug zu den
Kreisläufen der Natur gesetzt.
Vom 30. September bis 4. Oktober 2008 finden bereits zum zweiten Mal die biennal ausgetragenen Werkstatt-Tage der Kinder- und Jugendtheater am Theater der Jungen Welt statt. Neben dem Thalia Theater Hamburg und dem Jungen Schauspielhaus Hamburg sind fünf Kinder- und Jugendtheater Deutschlands mit Aufführungen vertreten, zwei internationale Gastspiele bereichern das Programm. Erstmals findet im Rahmen der 16. Werkstatt-Tage das Autoren-Theater-Projekt BOXENSTOPP Leipzig statt, in dem neben einem Werkatelier mit bekannten und jungen Autoren auch Werkstattinszenierungen von in der Entstehung begriffener Kinderstücke gezeigt und mit den Autoren diskutiert werden (siehe auch Pressemeldung vom 16.06.08).
Eine dieser vier Werkstattinszenierungen ist das Stück der jungen Schweizer Autorin Pamela Dürr „Die Ungeheuren und die Prinzessin vom Planeten Pipapo“, das durch ein Stipendium des Theaters der Jungen Welt zustande kommt. Von der Schauspielerin und Regisseurin Pamela Dürr stammt auch „Saffran & Krump“, eine Geschichte über Freundschaft und Toleranz, das am 15. November in der Regie von Marion Firlus Premiere in der Kleinen Bühne Demmeringstraße hat. Ebenfalls zu den vorweihnachtlichen Kinderstücken gehört die Uraufführung des Märchenabenteuers „Der Drache, die Riesin und das dicke dreizehnte Königskind“ von Ulrich Zaum (Premiere 22. November im Saal). Erstmals wird Jürgen Zielinski in diesem Metier inszenieren, Olga von Wahl übernimmt die Ausstattung.
Alice kommt
Nicht nur wegen der großen Nachfrage werden in der kommenden Spielzeit wieder zwei Studentenclubs am Theater der Jungen Welt geführt (Leitung: Susanne Krämer/Roland Klein, Schauspieler, und Ulrike Taube, neu als Theaterpädagogin am TDJW), am 22. Januar wird zum zweiten Mal THEater STUDENT PARTY im Theaterhaus stattfinden, bei der Theater und Party Hochzeit feiern. Die erste neue Figurentheaterinszenierung der Spielzeit ist „Alice“ von Katja Hensel nach Lewis Carroll (Premiere 29. Januar 2009, Etage Eins), Regie führt Dirk Baum. In den Winterferien, vom 10.-13. Februar findet bereits zum dritten Mal das Theaterforschungslabor für Kinder von 10 bis 12 Jahren statt, Themen sind unterschiedliche „Sprachen“ am Theater: Körpersprache, Sprache der Musik und die Sprache eines Raumes. Am 26. Februar folgt die Inszenierung des Jugendstücks „Bis in die Wüste“ von Jean-Michel Räber. Bei dem so komplexen wie pointierten Stück über eine Clique rechtsradikaler Jugendlicher, aus der einer unfreiwillig zum Helden mutiert, inszeniert abermals Jürgen Zielinski.
Als Neuentdeckung für das Theater zählt seit letztem Jahr die Bühnenbearbeitung von Guus Kuijers „Wir alle für immer zusammen“. Die Geschichte des in den Niederlanden mehrfach preisgekrönten Autors stellt die 11-jährige Polleke ins Zentrum, die sich zwischen Mutter, Vater, neuem Partner der Mutter (Pollekes Mathelehrer!) und dem Jungen Mimun, der nicht weiß, ob er ihr Freund sein darf, zurechtfinden muss. Premiere 5. März.
Fünf Städte, fünf Kisten, ein Material
Die zweite Figuren- und Objekttheaterpremiere der Spielzeit ist „Die Box – Top Secret Stories“. So geheim der Titel, so unbekannt der Inhalt. Figurenspieler und Performancekünstler Florian Feisel stattet in fünf Städten fünf Boxen mit jeweils gleichem Material aus, ein Ensemble und ein Regisseur (Robert Steijn, NL) werden sehen, was sie damit anfangen. Ein ungewöhnliches Projekt mit (Fünffach-) Premiere im Rahmen des 2. Sächsischen Puppentheatertreffens vom 2. bis 5. April 2009 in Bautzen, Leipzig-Premiere ist am 8. April. Am 23. April folgt die Premiere von „Erste Stunde“, einem Stück von Jörg Menke-Peitzmeyer über Mobbing. Das provokante Stück, das mitten in den Klassenzimmern der Schulen mit der Grenze zwischen Kunst und dem Alltag der Schüler spielt, ist die dritte Regie von Jürgen Zielinski in der Spielzeit.
Am 7. Mai 2009 feiert das zentrale der Toleranz-Projekte der Spielzeit 2008/09 Premiere, die Theaterinstallation „Kinder des Holocaust“, die auf jüngst veröffentlichten Protokollen überlebender jüdischer Kinder („Kinder über den Holocaust“) basiert und nach einer Textgrundlage von Matthias Senkel inszeniert wird (Regie N.N.). Das Projekt, dessen zentraler Teil mit Jugendlichen und Schauspielern realisiert wird, steht unter der Schirmherrschaft von Burkhard Jung, OBM der Stadt Leipzig, und ist eine Kooperation mit „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ und „Geschichtsdidaktik/Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung“ der Uni Leipzig, es wird gefördert durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ aus dem Fond „Erinnerung und Zukunft“.
Am 6. Juni feiert ein weiteres der Toleranz-Projekte der Spielzeit Premiere: In der Arbeit des Theaterjugendclubs geht es unter dem Arbeitstitel „Simpel“ um eine Stückentwicklung nach dem Jugendbuch von Marie-Aude Murail, das das Leben mit einem geistig gehandicapten Menschen in einer Studenten-WG zum Thema hat. Und ebenfalls im Juni 2009 wird unter dem Titel „Eine Bühne für ein weltoffenes Leipzig“ die 13. Auflage der Schülertheatertage am Theater der Jungen Welt durchgeführt.
Gegen Ende der Spielzeit 2009 nimmt das Theater der Jungen Welt im Rahmen des 600. Uni-Jubiläums an dem spektakulären Lauf Prag-Leipzig (3.-7. Juni 2009) mit einem musikalisch-theatralen Höhepunkt teil. Als open-air-Trailer einer für den Herbst geplanten Uraufführung von Ulrich Zaums „Der Golem“ nach dem Film von Gustav Meyrink wird ein ca. halbstündiger Ausschnitt mit Figuren aus dem Stück und Musik der Tiger Lillies gezeigt: In Prag (3. Juni) und Leipzig (7. Juni, Moritzbastei).
Matthias Schiffner, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Theater der Jungen Welt
- Links:
Theater der jungen Welt www.theaterderjungenweltleipzig.de