Das Weite Theater für Puppen und Menschen wird 15
Näher dran, aber nicht ganz dicht
Jubiläen sind etwas Feines. Da kann man feiern, sich erinnern und bilanzieren. Das Weite Theater ist gerade 15 geworden. Es steht für ein Experiment.
Puppen- und Schauspieler aus dem in der Nachwendezeit fix abgewickelten Puppentheater Berlin und Absolventen der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ entdeckten in der Betonwüste Hellersdorf ihren Freiraum. Sie wollten raus aus der Mitte und am Stadtrand sich selbst und die Wirklichkeit verändern. 1992 gründeten sie mit Enthusiasmus, Professionalität und 18 ABM-Stellen Das Weite Theater.
Das Experiment „selbstbestimmte Ensemblearbeit“ gelang für einige Jahre. „Die Dreigroschenoper“ (Brecht/Weill), „Der Sturm“ (Shakespeare) und ganz eigene Märchen-Interpretationen kamen auf die Bühne. Der Begriff „Weites Theater“ wurde zum Programm, an dem bis heute festgehalten wird: Es gibt keine Einengung auf bestimmte Theaterformen oder Besuchergruppen. Offenheit ist Arbeitsprinzip. Immer geht es um das Freilegen von Prozessen, um Spiel.
Die Inszenierungen vom Weiten Theater setzten ästhetische Maßstäbe und hatten immer viel mit dem Hier und dem Jetzt zu tun. Sie wurden zu Festivals im In- und Ausland eingeladen und bekamen Preise. „Du musst Schwein sein oder Padulidu und Lorelei“ (Regie: Anne Frank) ist seit Jahren Dauerbrenner - eine schöne Satire auf schweinische Geschäftemacher mit Fragen nach dem großen Glück. „Der weiße Hammer“ genau wie „Bin im Keller“ (beide Regie: Hans-Jochen Menzel, Puppen: Thomas Klemm, Spiel: Irene Winter und Torsten Gesser) wurden zu schwarzhumorigen Repertoirerennern.
Bei den Inszenierungen für Kinder und Jugendliche ging es immer um Ermutigung, dem eigenen Ich und der Phantasie zu vertrauen.
Doch trotz der Erfolge konnte sich das Ensemble mit neun Künstlern ökonomisch nicht halten. Jahr um Jahr wurde die Truppe kleiner, auch Armin Petras, der heutige Intendant des Maxim-Gorki-Theaters gehörte zeitweilig zu den künstlerischen Köpfen. Durchgehalten haben nur Irene Winter, Torsten Gesser und Martin Karl (Spieler, Regisseure und Theaterpädagoge). Als die Miete in Hellersdorf unerschwinglich wurde, war Schluss. Heute erinnert nur noch der Name „Theaterplatz“ an die kreative Zeit. Das Haus ist längst abgerissen.
Das Weite Theater hat seit vier Jahren seine Spielstätte in Lichtenberg, direkt neben dem Theater an der Parkaue, unter einem Dach mit den Puppenspielern der Ernst-Busch-Schule. Diese Nähe ist ein großes Glück. Seitdem wirbt das Theater mit dem selbstironischen Spruch „näher dran, aber nicht ganz dicht“. Studenten gehen ein und aus, bringen Inspiration und neue Herausforderungen. Gerade hatte „Medea“ in der Regie von Peter Koppatsch Premiere. Wie Irene Winter und Björn Langhans (als Gast aus der Ernst-Busch-Schule) die alten Mythen von Staub und Lorbeer, von Vereinnahmung und Verklärung befreien und die Fragen von Christa Wolf spielerisch aufgreifen - das hat große Klasse. Und wenn Torsten Gesser gerade nach Frankfurt gegangen ist, um dort das Theater des Lachens zu leiten, macht das nichts. Das weite Theater reicht ja weit, auch bis zur Oder. Es ist ein kleines Theater, aber mit einem riesengroßen Netzwerk.
Barbara Fuchs
Hinweis: Dieser Artikel erschien zurerst in der Berliner Programmzeitschrift zitty.
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