Erfurt: "Moby Dick" feierte Premiere am Puppentheater Waidspeicher
Mit fiebriger Erregung in den Abgrund
Nur ein kleiner gelber Tupfen Öllampenlicht stemmt sich trotzig und allein gegen die bleierne Dunkelheit, aus der Ismael seine Geschichte zu erzählen beginnt. Eine Geschichte von sturmgepeitschter See, von der jahrelangen Mühsal des gefährlichen Walfanges. Sie endet mit einem Sarg, auf dem der junge Matrose mitten im Pazifik treibt, als einziger Überlebender des stolzen Walfängers Pequod und letzter Zeuge des Wahnsinns von Kapitän Ahab.
Die Inszenierung von Erik Schaefflers Theaterstück „Moby Dick“ unter der Regie von Matthias Thieme feierte am vergangenen Freitag ihre Premiere im Puppentheater Waidspeicher. Nach 75 furios gespielten Minuten wollte der Applaus nicht enden. Und das zu Recht. Allein das wunderbare Bühnenbild (Martin Gobsch) machte die Vorstellung zu einem echten Augenschmaus. Sie war jederzeit zu spüren, die knarzige Atmosphäre des mit Tran verschmierten Walfangschiffes, die unglaubliche Enge an Bord, die im Kontrast zu schieren Unendlichkeit des Meeres steht und die fiebrige Erregung der Besatzung während ihrer Fahrt in den Abgrund. Da ist Queequeg (Martin Vogel), der über und über tätowierte Südseeinsulaner und Harpunier, der von der vermeintlichen Weisheit des weißen Mannes lernen will und in ihr nur Bosheit und Verschlagenheit erkennt. Da ist eben jener junge Ismael (Annika Pilstl), der dem Abenteuer und Nervenkitzel des Walfanges folgt. Ebenfalls an Bord sind Stubb, der zweite Maat, ein einfältiger und gutmütiger Seefahrer und der Obermaat Starbuck, der einzige wirkliche Gegenspieler des rachsüchtigen Ahab (Tomas Mielentz). Und natürlich der selbstgerechte und grausame Kapitän selbst, der sein Leben an die Jagd auf den weißen Wal verpfändet hat, nachdem dieser ihm ein Bein abriss.
Die herrlich detailverliebten Puppen fügten sich nahtlos in das grandiose Bühnenbild. Die immer wiederkehrenden Übergänge vom Schauspiel zum Puppenspiel gelangen mühelos und die ausgezeichnete Beleuchtung der einzelnen Szenen, machte die maritime Illusion perfekt. Kurze, wohl gesetzte Momente des Augenzwinkerns verliehen dem Stück und seiner düsteren Handlung wohltuende Augenblicke der Entspannung, ohne der Dramaturgie zu schaden. Und nicht zuletzt die gelungene musikalische Untermalung des Live-Gitarristen Andres Böhmer verhalfen der Inszenierung zu der Rumseeligen Shantyatmosphäre, die eine Umrundung des gefürchteten Kap Horn nun einmal braucht. Einziger Wermutstropfen war da vielleicht das Objekt von Ahabs krankhafter Passion. Wird Moby Dick im Stück immer wieder als Teufel mit vernarbter Fratze beschrieben, kommt sein, ans Segel projiziertes Konterfei dann doch etwas zu Flippersüß daher. Sei’s drum. Insgesamt eine wirklich gelungene Inszenierung des Melvillschen Abenteuerromans, die mit dem Wasserleichenlied einen geradezu grotesk-schönen Abschluss findet. Herrlich! Dominique Wand
Bühnenausstatter verlässst den Waidspeicher
"Moby Dick" ist gleichzeitig auch das Abschieds-"Geschenk" von Bühnenausstatter Martin Gobsch. Ab kommender Spielzeit arbeitet er als freier Ausstatter. Die zukünftige Adresse seiner Werkstatt könnte für den begabten Künstler und Handwerker nicht besser sein: die Krämerbrücke in Erfurts Altstadt. Die Mittelalter-Brücke ist mit ihrer beidseitigen, geschlossene Bebauung mit Fachwerkhäusern einmalig nördlich der Alpen und erste Adresse für Kunsthandwerk.
Die Personalveränderung ist Folge eines Intendantenwechsels.
Informationen zum Stück
- Alter: ab 10 Jahren
- Regie: Matthias Thieme
- Komposition: Andres Böhmer
- Live-Musiker Gitarre, Harmonium: Andres Böhmer
- Bühne, Kostüme, Puppen: Martin Gobsch
- SpielerInnen: Annika Pilstl; Tomas Mielentz, Martin Vogel
- Links:
Spieltermine: www.puppenspiel-portal.eu/datum/2009/04/28/titel/moby-dick-1/
Waidspeicher: www.waidspeicher.de/stuecke/home.php