Erfurt: Neue Intendanz am Theater Waidspeicher
Mehr Welt, mehr Schau
Das Erfurter Theater Waidspeicher verstärkt sein Ensemble. Ab der kommenden Spielzeit besteht es wieder aus drei Männern und drei Frauen. Der bisherige Intendant Bernd Weißig hatte das Ensemble von sechs auf fünf reduziert. Die designierte Intendantin Sybille Tröster (46) stellte heute ihr Konzept und auch die neuen Spieler der Öffentlichkeit in Thüringes Landeshauptstadt vor.
Ensemble wird verstärkt
Tröster ist Intendantin der Kleinen Bühne Naumburg (Sachsen-Anhalt), von der sie die neuen SpielerInnen praktischerweise gleich mitbringt: Anna Fülle (34), Paul Günther (39) und Kristine Stahl (42). Günther kennt das neue Haus gut: Er stand schon früher auf den Brettern des historischen Speichers. Die Journalistin Christina Onasch (37), Öffentlichkeitsarbeit, ist auch neu.
Die Personalveränderungen haben natürlich ihren Preis. Gehen müssen die Spielerinnen Dorothee Carls (33) und Judith Kühn (31), Ausstatter Martin Gobsch und Pressedramaturgin Sandra Blume.
Mehr Weltliteratur, mehr Schauspiel
In der kommenden Spielzeit wird es acht Premieren geben, zwei Übernahmen aus Naumburg und sechs Neuinszenierung. Nur vier Inszenierungen sollen aus dem bisherigen reichhaltigen Repertoire übernommen werden, der Rest wird in die Tonne getreten.
Die neuen Spieler sind ein Gewinn. Sie zeigten Ausschnitte aus laufenden Produktionen und es wurde sofort deutlich: Das Waidspeicher-Ensemble wird an Präsenz gewinnen.
Kooperation mit Rudolstadt
Tröster wird ihre Schwerpunkte auf Weltliteratur legen und Schauspiel ausbauen. Für Weltliteratur stehen die Inszenierungen Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" (Premiere 25. September) und Ćechovs "Drei Schwestern" (19. Februar 2010). Für Schauspiel stehen Hubs "Nathans Kinder" (24. April 2010) und Rezas "Drei Mal Leben" (11. Juni 2010). "Nathans Kinder" produzieren Waidspeicher und Thüringer Landestheater Rudolstadt gemeinsam, "Drei Mal Leben" will Tröster als reines Schauspielstück inszenieren.
Das Theater Waidspeicher wird eventuell auch international an Renommee gewinnen - hier hatte der jetzige Intendant Weißig keine glückliche Hand. Tröster hat mit ihrer Kleinen Bühne Naumburg gerade zwei internationale Preise gewonnen.
Schon wieder: 5 Jahre keine Lohnerhöhung
Was das Geld angeht, glänzte Tröster nicht mit innovativen Ideen. Wie im Bereich staatlicher Förderung leider üblich, fehlt es auch ihr an Kreativität. Wie es aussieht, können sich die 27 Mitarbeiter des Hauses in den nächsten fünf Jahren Lohnerhöhungen abschminken. Einziger Tröster: Das ist keine Verschlechterung zum Status Quo. Auch Weißig mangelte es wie vielen seiner KollegInnen an sozialer unternehmerischer Verantwortung.
Corporate Design misslungen
Obwohl noch designiert, hat es die neue leider auch schon geschafft, 22.000 Euro zum Fenster rauszuwerfen. Das neue Corporate Design mit einem stilisierten Waidblatt ist verspielt statt selbstbewusst und reduziert den Fokus auf regionales, macht das Theater klein statt groß. Darüber hinaus sorgt es für Ärger im Haus. Der Waidspeicher wurde in Erfurt bislang faktisch als zwei Spartenhaus vermarktet und auch so wahrgenommen - mit Puppentheater und Kabarett. Jetzt wird alles getrennt vermarktet.
Eine Vertreterin des Thüringer Kultusministeriums sagte zwar, das Corporate Design sei mit dem Kabarett abgestimmt, ein Lokaljournalist wedelte aber bereits mit einem angeblichen Protestschreiben der Spaßmacher.
Das Ministerium hat das neue Waidblatt, das außerhalb von Erfurt keine Sau verstehen wird, übrigens großzügig mit 15.000 Euro gefördert. Hoffentlich fasst sich Kultusminister Bernward Müller (CDU) an den Kopf.
Synergura verschoben
Und noch eine weitere schlechte Nachricht: Die Synergura, das vom Waidpeicher veranstaltete internationale Puppen- und Figurentheaterfestival wird um ein Jahr verschoben - von 2010 auf 2011.
Trotzdem: Vielversprechender Start
Der Start von Frau Tröster hätte besser sein können. Trotzdem war der erste Pressetermin viel versprechend: Mit ihren Personalentscheidungen und ihrer inhaltlichen Ausrichtung dürfte das Erfurter Theater künstlerisch um einiges zulegen.
Dirk Wildt
- Dateien:
- pressetext.pdf211 K