Halle: Das Märchen vom guten Ende
Ins Grab zurückgeprügelt
Horst Günther, Autor der UNIMA-Fachzeitschrift "das Andere Theater", schreibt über den Figurensommer Halle 2005*:
... Am neunten Abend, also dem letzten des Figurensommers, gab es keine Abschwächung. Das Märchen vom guten Ende – eine Diplominszenierung mit Jae Hee Moon, Annika Pistl, Karin Schmidt, Regie: Hans Jochen Menzel – war eine kollektive Meisterleistung.
In dieser Inszenierung werden grausame Tatsachen nicht nur als Ergebnis gezeigt, sondern der ganze ekelerregende blutrünstige Prozess wird genüsslich vorgeführt. Grimmsche Märchen, die man nicht kennt oder als seltsam aus dem Gedächtnis gestrichen hat und die eigentlich absolute Horrorgeschichten sind, werden fast wortgetreu und mit wundervollen theatralischen Einfällen auf die Bühne gebracht. Es beginnt mit den "drei Feldscherern". Drei Gestalten, deren Gesichter und Kleidung leichenblass und blutverschmiert sind, zelebrieren ihre Geschichte: Sie wollten ihre ärztliche Kunst beweisen, indem sich der eine die Hand, der andere die Augen und der dritte das Herz herausrissen, um sie nach einer Nacht wieder anzufügen. Aber eine Katze stahl die im Kühlfach aufbewahrten Körperteile. Weil das Ende bei Grimm schrecklich und ungerecht ist, erfinden die Spielerinnen eine Wendung zum Guten.
Die Spielerinnen bleiben in der Kostümage der Feldscherer. Sie lassen sich teils spielend, teils erzählend über die Ungerechtigkeit Gottes aus. Es ist ungerecht, wenn das herausgestreckte Ärmchen des "eigensinnigen Kindes" ins Grab zurückgeprügelt wird. Es ist ungerecht, wenn der Tod dem Kasper den Kopf abreißt, obwohl Kasper dem Tod zum Leben erweckt hat. Es ist ungerecht, wenn am laufenden Band Frauen vom teuflischen Hexer zu Tode gebracht werden, bloß weil sie das verbotene Zimmer betraten.
Wenn die Spielerinnen in die bösen Rollen schlüpfen entstellen sie ihre Gesichter zu sadistischen Fratzen. Sie schaffen Bilder, die zugleich grausig und faszinierend sind. Besonders verblüffend war, wie der Teufel eine Kiste mit einer Frau wegschleppte, gespielt von nur einer Darstellerin, deren Kopf scheinbar aus der Kiste ragte, zusammen mit zwei über den Kistenrand gelegten künstlichen Beinen ergibt das eine Gestalt, deren Leib in der Tiefe der Kiste zu vermuten ist. Der Teufel besteht aus den Beinen, dem Leib und den die Kiste tragenden Armen der Spielerin, obenauf sitzt der Teufelskopf mit Gewand, und alles verbindet sich organisch miteinander.
Grausame Tatsachen genüsslich vorgeführt, kollektive Meisterleistung.
*Teile dieser Berichterstattung können Sie auch in der Dezember-Ausgabe der UNIMA-Fachzeitschrift "das Andere Theater" lesen.
Kurzinfo
Titel: Das Märchen vom guten Ende
Regie: Hans-Jochen Menzel
Schauspiel: Jae Hee Moon, Annika Pilstl, Karin Schmidt
Text: Gebrüder Grimm
Theater: Diplominszenierung
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Figurensommer 2006: