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Erfurt: Synergura 2006 – Figurentheater Tübingen

Ein Engel vom Himmel gefallen

Irgendwann schwebt der Engel "vervielfältigt" durchs Haus. Hier mit dem blinden Erzähler Podehl / Foto: Figurentheater Tübingen

Irgendwann schwebt der Engel "vervielfältigt" durchs Haus. Hier mit dem blinden Erzähler Podehl / Foto: Figurentheater Tübingen

12. Jul. 2006 (dw) – 

Engel fallen nicht vom Himmel. Deshalb ist auch niemand vorbereitet, wenn es doch passiert. Auf der diesjährigen Synergura wird der Engel vom Dauerregen mitten auf die Bühne des Theater Erfurts gespüllt, in einen Hinterhof irgendwo zwischen Urwald und Meer. Dort geht es phantastisch surrealistisch zu. Wäsche etwa wird lebendig, erhebt sich mit eigener Kraft tropfend aus einem Zinntrog, bekommt ein Gesicht, das Waschwasser läuft aus dem Mund. Es ist eine Geschichte von Gabriel García Márquez, die Enno Podehl erzählt und die drei alte Weiber mit Marionetten, Handpuppen, Schattentheater und choreographischen Elementen illustrieren (Karin Ersching, Karin Ould Chih, Frank Soehnle).
Pelaya entdeckt den alten Mann mit den gerupften Flügeln in dem Hinterhof seines Hauses. Allerdings ist er sich nicht sicher, ob es sich bei der jämmerlichen Gestalt tatsächlich um einen Engel handelt. Er weiß nicht so recht, was er mit dem Fremden machen soll, vorsorglich sperrt er diesen in den Hühnerstall. Schon bald gibt es einen Volksauflauf. Manche wollen den Unbekannten zum Weltbürgermeister machen, andere sähen diesen am liebsten tot, denn sie glauben, der Teufel habe seine Finger im Spiel. Pelaya und seine Frau Elisenda nehmen Eintrittsgeld und haben am Ende des 70-minütigen Vorstellung ein kleines Vermögen zusammen.
Die beiden sind genauso imaginär wie Engel, Hühnerstall und Volksauflauf. Die Imaginationen fügen sich als Bilder in den Köpfen des Publikums zusammen – phantastisch und surrealistisch und ohne jede Anstrengung. Denn die drei SpielerInnen schälen Figuren wie Schaulustige und Pfarrer aus dem Nichts – etwa aus dem erdigen Bühnenboden – heraus, so unaufgeregt, dass man sich fragt, wo kommen die denn her? Objekte wie ein Vogelkäfig hängen plötzlich in der Luft, ein skelettartiger Vogel kommentiert das Geschehen aus einem Bottich.
Die Bühne besteht eigentlich nur aus fünf Holzleitern, die den Rahmen für den Innenhof bilden, einem heruntergekommenen Fischerboot und dunkelbrauner Muttererde. Seile ziehen sich von Leiter zu Leiter durch die Luft und ermöglichen den maskierten SpielerInnen, von überall Figuren an Fäden zu ziehen. Licht ist nur dort, wo es nötig ist, der größte Teil der Bühne bleibt die meiste Zeit im Dunkeln. Unwillkürlich scheint das Geschehen Nachts stattzufinden, bei manchen ZuschauerInnen führte dies bei der späten Abendvorstellung zu Ermüdungserscheinungen.
Der Engel bleibt bis zum Schluss unsichtbar in der Mitte der Bühne und damit im Hühnerstall liegen, wird erst nicht besonders gut behandelt und am Ende ganz vergessen. Im gelingt es, sich zu erholen, und zum Schluss davon zufliegen.
Erzähler Podehl, blind, hält sich fast die gesamte Dauer des Stücks an einem vier Meter langen Stock fest, obwohl dieser eigentlich die ganze Zeit zu schweben scheint. Dieser Schwebezustand beschreibt vielleicht am treffendsten den Stil der Inszenierung, bei der die SpielerInnen die Bilder holographischen Darstellungen gleich von der Schwere der Erdanziehungskraft befreien. Gabriel García Márquez dürfte sich freuen.

 

Dirk Wildt

 

 


 

Kurzinfo

Titel: Mit riesengroßen Flügeln
Theater: Figurentheater Tübingen
Erzähler: Enno Podehl
SpielerInnen: Karin Ersching, Karin Ould Chih, Frank Soehnle
Musik: rat'n'X
Kostüme: Steffen Flor
Assistenz: Ulrike Anderson
Alter: ab 16 Jahre
Dauer: 70 Minuten

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